Lass uns alles tun, weil wir können und nicht müssen
Es hat lange gedauert, aber nach gut einem Jahr reiflicher Überlegung habe ich mich nun dazu entschieden ein Studium zu beginnen und meine vollzeitige Selbstständigkeit zu beenden. Es war wahrlich keine leichte Entscheidung, und wenn ich jetzt hier sitze und schreibe, dann ist schon auch ein wenig Wehmut dabei. Die Konsequenz daraus ist, dass ich den Mietvertrag für das Büro in Traismauer mit Ende September gekündigt habe.
Ich habe die Selbstständigkeit immer als etwas betrachtet, dass ich aus voller Überzeugung tun will. Diese Überzeugung hat in den letzten 1,5 Jahren aus den verschiedensten Gründen zu bröckeln begonnen. Auch wenn mich weiterhin Technik und Design begeistert, so bin ich aber auch zur Erkenntnis gekommen, dass ich diese Arbeit nicht mehr 60 Stunden die Woche mein restliches Leben machen will und vor allem auf längere Sicht gesehen wohl auch nicht könnte.
Die Betonung beim ersten Satz dieses Textes liegt auf „vollzeitige Selbstständigkeit“, was bedeutet, dass AppArtig weiter existieren wird. Ich entwickle und entwerfe immer noch gerne Webseiten, aber größere Projekte zu entwickeln und zu betreuen ist etwas, dass ich einfach nicht mehr machen will und wozu ich auch nicht mehr die Zeit haben werde. Ich werde auch keine Apps mehr für Kunden entwickeln, sondern nur mehr kleine, persönliche Projekte weiter betreiben.
Wenn man von Beginn an ein gewisses Ziel vor Augen hat, dies auch über die Jahre hin verfolgt und von außen immer wieder gesagt bekommt „wie toll es nicht ist, dass man selbstständig ist“ oder „wie bewundernswert es ist, dass man sich das in so einem Alter antut“, dann läuft man Gefahr, zu wenig auf sich selbst zu hören. Eine gewisse Erwartungshaltung wird aufgebaut, man hinterfragt weniger und alles läuft so dahin. An etwas festzuhalten, nur weil alle Welt denkt es sei das Richtige für einen, ist Blödsinn. Egal wie abwegig, unkonventionell oder unverständlich es auch ist, zu wissen was das Richtige für einen ist kann man nur, wenn man auf sich selbst hört. Die große Herausforderung ist dann 4,5 Jahre Arbeit für etwas Neues – von dem man auch absolut nicht weiß, ob es passt – zurückzulassen und diesen Schritt mit allen Unannehmlichkeiten dann auch durchzuziehen.
Ich kann und will es nicht leugnen: es ist ein großer Schritt für mich. Etwas, dass in aller Konsequenz nicht einfach zu entscheiden war. Zumal meine Vorhaben vor zwei Jahren im Vergleich zu heute doch sehr unterschiedlich ausgesehen haben. Ob es die richtige Entscheidung gewesen sein wird, weiß ich nicht. Aber egal wie unerwartet und unverständlich diese Entscheidung für so manchen vielleicht ist, ich habe aufgehört mir darüber Gedanken zu machen was andere Menschen darüber denken.
Wenn man mich „Was ist das Coolste an deinem Job?“ oder „Was gefällt dir an der Selbstständigkeit am besten?“ fragte, dann gab und gibt es für mich eine recht einfache Antwort: Freiheit. Klar, man hat Verpflichtungen, denen man sich nicht entziehen kann. Wenn man von der Selbstständigkeit leben will ist ökonomischer, finanzieller Erfolg selbstredend unabdingbar und somit ist diesen Zielen auch einiges unterzuordnen, aber man genießt schon ein sehr hohes Maß an Freiheit. Wie Kunden und Aufträge annehmen oder ablehnen zu können, viel oder wenig zu arbeiten, usw.
Jede Zunahme an Freiheit bedingt auch gleichzeitig eine Zunahme an Verantwortung, dem können wir uns nicht entziehen. Im Kontext des Unternehmerseins ist das die Verantwortung für Kunden, erbrachte oder nicht erbrachte Leistungen, fristgerechtes Arbeiten und vieles mehr. Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und zu erkennen wann es Zeit ist etwas zurück zu lassen und etwas Neues zu beginnen fordert Überwindung und nicht zuletzt Freunde, die hinter einem stehen und einen solchen Schritt nicht in Frage stellen, sondern Dinge sagen wie „Du hast dich doch schon entschieden. Hab keine Angst das zu machen, tu es einfach!“. Mit dieser Erkenntnis geht es dann darum es auch zu tun, die Freiheit zu nutzen und etwas Neues zu beginnen, wenn man merkt, dass die Zeit dafür gekommen ist.
Ich denke es ist Zeit, darum lasst uns alles tun, weil wir können und nicht müssen.